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Ansprache von Erzbischof Dr. Ludwig Schick

Die Predigt des Erzbischofs

Les: Röm 10, 9-18
Ev.: Mt 4, 18-22

Liebe Schwestern und Brüder, 
liebe Wunderburger! 

1. Im „Bamberg Lexikon“ ist unter dem Stichwort „Wunderburg“ folgendes zu lesen:
„Wunderburg. Ortsteil Bambergs, der in seinem jetzigen Erscheinungsbild aus dem 19./20. Jahrhundert stammt. Die Ersterwähnung der Wunderburg geht auf das 14. Jahrhundert zurück. Fürstbischof Friedrich von Hohenlohe ließ dort seinen Forstmeister Friedrich von Rothenstein 1350 verschiedene Baulichkeiten errichten (man spricht auch von einem Schlösschen), was offensichtlich Verwunderung auslösen sollte, daher möglicherweise der Name Wunderburg. Sie unterstand dem Schutz des Fürstbischofs.“ 
Und unter dem Stichwort „Wunderburger Kirche“ schreibt das Lexikon: „Katholische Pfarrkirche, auch Maria Hilf Kirche, Wunderburg 4, ein neugotischer Backsteinbau von Chrysosthomos Martin, Einweihung 1898, dreischiffige Halle mit eingezogenem Chor und Fassadenturm. An der Stelle der Wunderburgkirche stand vorher die barocke Maria-Hilf-Kapelle, 1686 unter Fürstbischof Schenk von Stauffenberg errichtet.“

2. Die Gründung der Pfarrei Maria Hilf am 30. November 1905 wird nicht ausdrücklich, aber doch indirekt erwähnt. Dazu gleich. Heute, liebe Schwestern und Brüder, feiern wir den 100. Geburtstag Ihrer Pfarrei, der Wunderburgpfarrei „Maria Hilf“. Gern bin ich heute Abend zu Ihnen gekommen, um mit Ihnen dieses Jubiläum zu begehen. Was sagen die Notizen aus dem „Bamberg-Lexikon“ bezüglich der Pfarrei? 
Erstens, dass auch die Pfarrei, wie die ganze Wunderburg, bewundernswert ist! Ihr Ortsteil war schon seit dem Mittelalter Anziehungspunkt für die Bevölkerung Bambergs auf der anderen Regnitzseite. Hier gab es Wald, hier war es schön, hier baute der Fürstbischof ein Schlösschen und eine Kapelle; hier gab es Tiere und Wild, man konnte jagen und sich erholen. Dieser Teil des heutigen Bambergs wurde bewundert und versetzte in Verwunderung. Er war so schön, dass er immer mehr besiedelt wurde.
Das gilt auch heute. Die Wunderburg ist ein Stadtteil Bambergs mit gesundem Selbstbewusstsein, mit Gemeinsinn, Zusammenhalt und guten Strukturen. Sie ist zu bewundern. 
Zweitens: Seit sich hier Menschen angesiedelt haben, leben auch der Glaube und das Vertrauen auf Gott. 
Der Kirchen- und Pfarreiname „Maria Hilf“ ist Ausdruck dafür, dass Gott uns Menschen schützend und helfend zur Seite steht. Maria verehren wir als die Mittlerin der Gnade Gottes. Wenn wir die Gottesmutter als Maria Hilf - Hilfe der Christenheit - anrufen, dann meinen wir damit, dass Gott, dem sie ganz und gar vertraute und lebte, auch uns Schutz und Hilfe angedeihen lässt und schenkt. Deshalb steht, seit Menschen hier leben, eine Kapelle Maria Hilf, in der dieses Vertrauen seinen steinernen Ausdruck findet. Zur Wunderburg gehört der Glaube. 
Und ein drittes und für uns das Allerwichtigste, ist der erste Satz im „Bamberg Lexikon“ über die Wunderburg, nämlich, dass der Ortsteil in seinem jetzigen Erscheinungsbild aus dem 19./20. Jahrhundert stammt. Damals wurde dieser Bereich ein richtiger Stadtteil mit allem, was dazugehört. Damit wurde er auch eine pfarreifähige und pfarreibedürftige Gemeinschaft von Gläubigen.

3. Liebe Schwestern und Brüder! Die Pfarreiengeschichte Bambergs, zu der die der Wunderburgpfarrei dazugehört, zeigt deutlich, dass die Bamberger Pfarreien mit den Menschen mitgingen und die Menschen die Pfarreien mitnahmen. 
Als die Wunderburg vor gut 100 Jahren zu einem Stadtteil ausgebaut wurde, gehörte für die Bevölkerung eine Kirche und eine Pfarrei dazu; 1889 wurde die Kirche gebaut und 16 Jahre danach, 1905, die Pfarrei errichtet. 
So war es auch im Gebiet von St. Otto, dann in der Gartenstadt, mit St. Heinrich und St. Kunigunde und schließlich kam auch St. Anna dazu. 
Was bedeutet das eigentlich, dass die Pfarrei mit den Menschen geht und die Menschen die Pfarrei mitnehmen? Ein Zweifaches! Es gehört zum Wesen unseres Gottes, dass ER mit den Menschen und mit seiner Christenheit mitwandert und die Christen haben Gott immer mitgenommen. Das wandernde Volk Gottes hat Gott in seiner Mitte und unser Gott ist ein mitgehender Gott. Wohin immer sein Volk zieht, geht er mit und bleibt unter ihm.

4. Liebe Schwestern und Brüder! Wir feiern heute das 100jährige Bestehen der Pfarrei „Maria Hilf“ Wunderburg. Vor 100 Jahren hat sich diese Pfarrei von der Mutterpfarrei St. Gangolf unabhängig gemacht, um den damaligen Bedürfnissen der Menschen besser entsprechen zu können.
Pfarrei bedeutet, ähnlich wie auch im kommunalen Bereich, Selbstverwaltung, Selbstverwirklichung und Selbstversorgung in allem, vorzüglich aber was die Seele und das ewige Heil des Menschen angeht.
Selbstverwirklichung einer Pfarrei geschieht durch die eigene Kirche, Pfarreigebäude wie Pfarrhaus und Pfarrheim, durch Kindergarten und ggf. Schule, durch die Feier der Sakramente, besonders den Sonntagsgottesdienst, durch Katechese und Religionsunterricht. All das geschieht seit 100 Jahren hier. 
Selbstversorgung will sagen, dass eine Pfarrei aus eigenen Kräften Ehrenamtliche hervorbringt wie Chöre, Bands, Organisten, Kranken- und Altenbesuchskreise, Ministranten, auch Priester und Ordensberufe für die Kirche. 
Selbstverwaltung bedeutet, einen eigenen Pfarrer, eine Kirchenstiftung und Kirchenverwaltung und einen Pfarrgemeinderat zu haben.

Selbstverwaltung, Selbstversorgung und Selbstverwirklichung zum Wohl und Heil der Menschen, geschehen hier seit 100 Jahren und dafür danken wir heute allen Haupt- und Ehrenamtlichen. Wir bewundern (Wunderburg) und freuen uns über ihre Aktivitäten, wir sind dankbar für den Segen, den diese Pfarrei gebracht hat. Das alles geschieht, dass Gott und Jesus Christus Zentrum unseres Lebens bleiben.

5. Liebe Schwestern und Brüder! Jubiläen sind auch immer Anlass sich neu auszurichten. Das Wort Goethes im Faust gilt „Was du ererbt von deinen Vätern, erwirb es, um es zu besitzen“. Bleiben Sie Ihrer Pfarrei verbunden. Wir organisieren zur Zeit Verbünde und Kooperationen zwischen den Pfarreien. Das heißt nicht, dass die Pfarreien wie sie bestehen, geschwächt werden sollen; sie sollen gestärkt werden. Bei allen Kooperationen müssen Subsidiarität und Solidarität immer mitbedacht werden. Wir kooperieren, um den bestehenden Strukturen Hilfe (Subsidiarität) zu geben und um uns Solidarität im größeren Verbund gegenseitig zu zeigen. Darum geht es! 
Die Seelsorgebereiche sind Not und Tugend zugleich. Not: Wir haben weniger Personal und weniger Geld. Um auch in Zukunft bestehen zu können, müssen wir finanziell konsolidieren und personell koordinieren; Tugend, weil wir uns verstärkt stützen und unterstützen.

6. Liebe Schwestern und Brüder! Wozu sind wir Kirche? Wir feiern den Gedenktag des heiligen Andreas. Im Evangelium haben wir eben die erste Jüngerberufung des Herrn gehört. Kirche beginnt immer mit dem Ruf zur Nachfolge Jesu. Kirche ist schon nach dem Wort, „Kirche“, Gemeinschaft der Gerufenen und Berufenen. Kirche besteht in der Nachfolge Jesu Christi, in der Gemeinschaft derer, die ihm nachfolgen.

7. Liebe Schwestern und Brüder! Damit Kirche in Zukunft lebt, müssen wir das Bewusstsein, dass wir vom Herrn berufen sind und dieser Ruf ein schöner, ein wunderbarer Ruf ist, erneuern. Dieser Ruf besteht, wie die Lesung sagt, im Bekenntnis, dass Jesus der Lebendige ist. Er hat gelebt, er hat die Menschen geliebt, er war treu bis zum Tod und hat den Tod auf sich genommen um Schuld und Sünde zu tilgen. Er wurde auferweckt und lebt. Das müssen wir erneuern. 
Wenn ich die Initiative für Berufungen, die wir in unserem Erzbistum begonnen haben, von Herzen unterstützen möchte, dann aus diesem Grund, dass wir alle uns wieder neu unserer Berufung zum Menschsein, zum Christsein, zur Kirche und zu unseren speziellen Gaben und Aufgaben bewusst werden und sie leben.

8. 100 Jahre Wunderburg, Schwestern und Brüder, muss bedeuten, 100 Jahre ein wunderbares Leben im Glauben, das weitergeführt werden soll zum Heil und Wohl der nachfolgenden Generationen. Gott zog immer mit uns, wir dürfen ihn nicht abhängen, sonst bleiben wir auf der Strecke. Gott und sein Volk gehören zusammen.

100 Jahre Maria Hilf, Wunderburg, am 30. November 2005 in Bamberg
Autor: Erzbischof Dr. Ludwig Schick